Das Dorf unterm „Mädchenberg“

Aus dem ersten Jahrhundert urkundlicher Geschichte von Meeburg


Auf der Eisenbahnstrecke von Reps nach Schässburg heißt die letzte Bahnstation, die noch im Flussgebiet des Alt liegt, Beia, deutsch Meeburg. Nach Meeburg fährt der Zug dann durch einen Tunnel unter der Wasserscheide in das Flussgebiet der Grossen Kokel. Seit 1968 gehört Meeburg verwaltungsmässig zur Großgemeinde Katzendorf [und zum Landkreis Kronstadt-Brasov].

Der Ortsname ist nach den Forschungen von Gustav Kisch von „Mädchen(berg)“ abzuleiten, wozu der ungarische Name des Berges Leányhalom (= Mädchenberg) passt, ebenso der heutige ungarische Ortsname Bene, von „benedicta“, d.h. „gebenedeite“ (Magd, Mädchen).

Nach der früheren kirchlichen Einteilung gehörte Meeburg zum Keisder Kapitel und der verwaltungsmässigen Zuständigkeit nach lag es mehr als fünf Jahrhunderte lang im „oberen“ Stuhl des Schässburger Stuhles, zusammen mit Keisd, Arkeden, Bodendorf und Radeln, als einzige Gemeinde aber, die nicht im Einzugsgebiet der Grossen Kokel lag.

Wer versucht, die geschichtliche Entwicklung Meeburgs anhand der schriftlichen Quellen zu verfolgen, muss feststellen, dass die Überlieferung – wohl auch wegen der Entlegenheit der Gemeinde – äusserst dürftig ist. Wenn die ältesten urkundlichen Nachrichten über die anderen Gemeinden des „oberen“ Schässburger Stuhles aus dem 14. Jahrhundert stammen (Keisd – 1309, Bodendorf – 1337, Arkeden – 1341 und Radeln – 1356) so ist Meeburg zuerst in einer Urkunde aus dem Jahre 1442 – also fast ein Jahrhundert später – genannt. Am 15. Juni 1442 bestätigte der damalige siebenbürgische Wojwode [also der Fürst von Transilvanien] Johannes Hunyadi in einer Urkunde die „in possessione Saxonikali Bene vocata“ ausgestellt wurde, dass der frühere Kastellan der Heldenburg im Burzenland die den Sachsen von Streitfort zugefügten Schäden ersetzt habe. Johannes Hunyadi war nach Kämpfen gegen die im März in Siebenbürgen eingefallenen Türken im Monat Mai im Burzenland gewesen, bevor er sich wieder in nördlichere Gegenden begab und unterwegs in Meeburg weilte.

Aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammten die beiden alten Glocken von Meeburg, die zwar ohne Inschrift gegossen wurden, aber nach ihrem Bildschmuck datiert werden konnten.


Die älteste Urkunde, die ein helleres Licht auf die Geschichte der Gemeinde wirft, wurde am 8. Februar 1476 vom Schässburger Rat ausgestellt. In dem Schriftstück wird bezeugt, dass Michael Greb und Thomas Greb de Radinthal (= Radeln) der Gemeinde Meeburg für 20 bzw. 18 Goldgulden zwei Teile eines Wiesengrundes verkauft haben. Dieses Gebiet lag zwischen den Hatterten [Gemarkungen] der drei Nachbargemeinden und grenzte an die Riedteile: von Arkeden „bey den Reysern“, von Radeln „Heynisch Burg“ (Hünenburg?) und von Meeburg „Fuchslöcher“ [= auch im 21. Jh. vorhandene Meeburger Flurnamen]. Interessant sind die in dieser Urkunde genannten Familiennamen, die ersten, die wir aus der Geschichte der Gemeinde kennen. Es waren dies beim ersten Kaufakt der Ortshann [Bürgermeister] Michael Grenner und die „geschworenen Burger“ Georgius Thoscha, Jacobus Duffner, Michael Cloy, Thomas Berthliff und Jacobus Müller. Der zweite Teil des Kaufes wurde vom neuen Hannen Anthonius Berthleff sowie den Geschworenen Jacob Duffner, Georgius Thoscha, Michael Grenner - dem gewesenen Hann – Michael Müller, Martin Grith, Johannes Thott, Petrus Cloy und Pertrus Ruffus (= Roth) abgeschlossen.

Die aus dem Jahr 1488 stammende älteste erhaltene Volkszählung auf dem Gebiete der sieben Stühle führt im Schässburger Stuhl an erster Stelle „Meburch“ an und verzeichnet, dass es damals in der Gemeinde 39 „Wirte“, vier Hirten, einen Schulmeister sowie einen „wüsten“ (= leerstehenden) Hof gab. Meeburg war die kleinste Gemeinde des „oberen“ Stuhls innerhalb des Schässburger Stuhles und von den übrigen freien Gemeinden des gesammten Stuhles hatten nur Neithausen (30 Wirte) und Dunnesdorf (38 Wirte) eine geringere Bevölkerungszahl.

In der Hermannstädter und Siebenrichter-Rechnung für 1494 wird eine Unterstützung von 8 Gulden „für den Bau in Meeburg“ verzeichnet. Weitere Hinweise auf die intensive Bautätigkeit in „Meepurg“ am Anfang des 16. Jahrhunderts enthält das Schässburger Steuerregister für die Jahre 1504 – 1508, wo für den Kirchenbau in Meeburg Steuernachlässe bis zu einem Viertel der vorgeschriebenen Steuerleistung angeführt werden. Nach dem damaligen Steuerschlüssel hatte Meeburg 3/16 von einem „Zahlhaus“, wie die Steuereinheiten genannt wurden. Der ganze Schässburger Stuhl hatte – mit den ehemaligen Kerzer Abteigütern zusammen – zehn „Zahlhäuser“.

Nach dem Ausbau der Kirche und Kirchenburg ging die Gemeinde Meeburg daran, auch eine entsprechende Inneneinrichtung zu schaffen. Aus dieser Zeit stammt der wertvolle gotische Flügelaltar aus dem Jahre 1513, das älteste der erhaltenen Kunstwerke dieser Art aus der „Schässburger Werkstätte“ [des Malers Johann Stoss, Sohn des Nürnberger Bildschnitzers und Freund Al. Dürers – Veit Stoss].

Die Volkszählung von 1532 verzeichnet in „Mebrych“ 45 Wirte, womit die Gemeinde die kleinste Ortschaft des „oberen“ Stuhls blieb. Auf der von Johannes Honterus im gleichen Jahre 1532 in Basel herausgegebenen ältesten Landkarte von Siebenbürgen ist „meburg“ gleichfalls eingezeichnet.

Aus den Jahren danach können wir noch eine interessante Urkunde des Schässburger Rates vom 17. März 1536 anführen, durch welche kurz vor dem Beginn der Feldarbeiten im Frühjahr ein [abwegiger] Brauch abgeschafft wurde, nämlich die beim Ackern ausgegrabenen Steine auf den Acker des Nachbars zu werfen. In Einsicht der Schädlichkeit dieses Brauches, hatte die Gemeinde dessen Verbot beschlossen und durch den Ortshannen Georg Schellem, den „Borger“ Petrus Klösch und die Einwohner Benedictus Thosscha, Thomas Dutsch und Petrus Ruffus (= Roth) um Bestätigung des Beschlusses angesucht. Für den Fall der Nichtbefolgung des Beschlusses wurde eine Strafe von 2 Mark Silber (etwa 30 Gulden) festgesetzt, die zur einen Hälfte dem Schässburger Magistrat und zur anderen dem Ortsamt in Meeburg zu entrichten sei.


Gernot Nussbächer in „Neuer Weg“, 6. Dezember 1983